2. Tor Stürme

2. Tor Stürme

Im Schockzustand. Hitzestöße, Wind und Welle reißen dich hin und her. Du fühlst dich ausgeliefert. Lass Ohnmacht und Schmerzen zu, blicke den Abschieden ins Auge. Woran und an wen hast du geglaubt, wem hast du vertraut? Ist das jetzt in den Stürmen noch gültig? Schaukle in deiner Nussschale ganz oben auf den Wellenkämmen.

Elina (46)

Orkanische Grüße

Ein Orkan tobt durchs Land, lila Himmel und zuckende Blitze. Ich befinde mich im Auge des Sturms, mitten im Wald. Die abbrechenden Äste sausen um meinen Kopf, ein Brüllen und Toben um mich herum. Aber ich habe keine Angst, denn der Sturm ist mein Element. Im Rhythmus der Donnerschläge verbindet mich der Wind mit oben und unten, mit dem Land hinter den Sternen und der Welt unter Erde und Moos. In der Nacht tut es einen Schlag, der die Mauern unseres Hauses erzittern lässt. Die alte Eiche fällt in unseren Garten, reißt alles mit sich. Die Hälfte des kleinen Landes ist jetzt mit zerbrochenen Zäunen und gefallener Eiche bedeckt.
Mein Alltag ist manchmal wie ein grauer Film, der meine Sinnesöffnungen überdeckt. Sturm und Feuer fegen ihn hinweg. Auch meine Arbeit kommt mir auf einmal nicht mehr so wichtig vor. Was ist denn wichtig? Dass das Leben weiter geht.
Mein Vater, 89 Jahre alt, Bauchspeicheldrüsenkrebs, nach der 4. Chemotherapie hat er seine Haare verloren. Nur ein weißer Flaum bedeckt seinen Schädel wie bei einem Baby. Er hat sich verändert, seine Augen liegen tiefer und schauen eindringlicher, oder kommt es mir nur so vor? Ich frage mich, was es noch zu sagen gibt. Ich nehme ihn in den Arm, er klammert sich an mich, ich halte seine kalte Hand beim Essen. Es fällt mir nicht schwer, es geht ganz leicht. Zu sprechen weiß ich nichts, außer, dass ich ihm immer wieder sage, dass ich an ihn denke. Er läuft auf der Geburtstagsfeier seiner Frau hin und her, hört schlecht, wirkt entfernt schon durch die tödliche Krankheit. Dann ist er unleidlich und despotisch wie immer, wenn Mutter, das Geburtstagskind, auf dem Stuhl an der Stirnseite Platz nehmen will. Eigentlich ist es meine Feier denkt er, eigentlich war immer alles seine Feier! Er ist wie ein trotziger Dreijähriger, tobt solange, bis er seinen Willen bekommt.

Knochenzeit

Knochenschmerzen, springende fließende Empfindungen in den Gelenken, Müdigkeit, Erschöpfung, endlose Traurigkeit. Tränen in den Augen, wenn ich in der S-Bahn sitze. Autofahren ist schwierig, ich lasse das Auto stehen, sooft ich kann.
Das hat nichts mit den Wechseljahren, mit der Hormonumstellung zu tun, sagt meine Ãrztin.
Mit was denn sonst?
Ich erinnere einen Traum, in dem ich Ronnys Maus im Käfig sehe und diese sich gegen die Wände wirft, um frei zu kommen. Ich denke, ich darf dich nicht rauslassen, denn draußen kannst du nicht alleine leben und im Keller nagst du mir alles an und kackst überall hin, das will ich nicht. Die Maus kämpft, und fast hätte sie sich schon freigebissen, da fange ich sie wieder ein und befördere sie in den Käfig zurück.
Entscheidungen stehen an, ich weiß nicht, in welche Richtung es mich zieht.