Vorgeschichte

Im Alter von 45 Jahren beginne ich medizinische Broschüren, Bücher, Frauenzeitschriften mit der Überschrift „Wechseljahre“ durchzublättern. Ungläubig nehme ich die gnadenlose Fixierung auf den Erhalt der erotischen Attraktivität zur Kenntnis. Das hat etwas Gejagtes, Verzweifeltes an sich! Kein Lebensbereich der wechseljährigen Frau wird ausgespart – von der Haarfarbe über alle Details der Körperlichkeit bis hin zur Sexberatung für das alternde Paar. Wenn der bewundernde Spruch fällt: „du siehst aber viel jünger aus!” ist für einen glückseligen Moment lang das Ziel erreicht. Die Mühen der Hormonbehandlungen, der Botoxkosmetik, des Waxings, Liftings, unzähliger Anti-Aging Cremes und vieles mehr haben sich gelohnt – oder doch nicht? Eine Frauenärztin wird mir später wegen meiner heftigen Schlafstörungen und Hitzewallungen eine Hormonbehandlung ans Herz legen mit den Worten: „Nehmen Sie diese Hormone, oder wollen Sie etwa aussehen wie ein verhutzeltes Weiblein?“ Tja, was ist eigentlich schlecht an einem „verhutzelten Weiblein?“

Auf die Dauer stehen die Aussichten ja schlecht, was die Konservierung des straffen Frauenkörpers, die Verlängerung der jugendlichen Sturm- und Drangjahre und des scheinbar unerschöpflichen Arbeitseinsatzes betriftf. Denn eines ist klar: Willst du lange leben, musst du alt werden!

Meine Recherche führt mich in andere Kulturen. Alte Frauen werden in vielen Gemeinschaften – anders als in der westlichen Welt – als weise Frauen hoch geachtet. Ihre Erfahrung und Rat in allen Fragen des Gemeinschaftlebens werden als hilfreich und überlebenswichtig empfunden. Alle, auch kinderlose ältere Frauen, werden „Großmutter“ (nicht Oma) genannt. Nicht, weil sie viele Kinder und Enkelkinder haben, sondern weil sie als die „Große Mutter“ betrachtet werden, die sich für ihre Gemeinschaft und besonders für deren Nachkommen fürsorglich und mutig wie eine leibliche Großmutter einsetzt.

Wir aber durchleben unsere Wechseljahre im verbissenen Jugendwahn. Ich aber will auf meinen eigenen Körper und Verstand hören, ich habe nur dieses eine Leben! Verhaltens- und Aussehensvorschriften haben lange genug mein Leben kontrolliert. Leichter will ich mich fühlen, freier und unbekümmerter davon, was die anderen von mir denken. Ich kann diese wechselhaften Jahre dazu verwenden Traumatisches, Hemmendes, Einengendes hinter mir zu lassen und zu der zu werden, die ich immer sein wollte.